Ein im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes erstelltes Rechtsgutachten sichert die Einrichtung von kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland ausdrücklich ab. Die Gutachter kommen zu der Einschätzung, dass Kinder- und Jugendparlamente aus verfassungsrechtlicher Perspektive von Gemeinden eingerichtet werden können, und dass Städte und Gemeinden Kinder- und Jugendparlamenten eigenständige Rede- und Antragsrechte zuweisen können, solange dabei die Arbeitsfähigkeit der Gemeindevertretung gewährleistet ist. Außerdem dürfen die Gemeindevertretungen einem Kinder- und Jugendparlament ein festes Budget zuweisen. Hintergrund des Rechtsgutachtens ist das Vorgehen einiger Kommunalaufsichten in verschiedenen Bundesländern, die Kommunen untersagten, in ihren Satzungen bestimmte institutionalisierte Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche bzw. für Angehörige von Kinder- und Jugendparlamenten einzuräumen. Das Gutachten legt nahe, dass einige dieser Entscheidungen nicht haltbar sind und die Kommunalaufsichten die Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen stärker berücksichtigen müssen.
„Durch das Rechtsgutachten wird die Stellung der Kinder- und Jugendparlamente in Deutschland deutlich gestärkt. Sie haben ein allgemeinpolitisches Mandat für die Vertretung der Interessen von Gleichaltrigen und tragen dazu bei, dass die Anliegen von Kindern und Jugendlichen gegenüber Erwachsenen verstärkt Gehör finden. Idealerweise sind Kinder- und Jugendparlamente Teil einer vielfältigen Beteiligungslandschaft in den Kommunen, mit denen Kinder und Jugendliche gleichberechtigte Teilhabe und Einfluss auf Entscheidungen vor Ort einfordern können“, betont Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Das Gutachten stellt zudem fest, dass Mitgliedern von Kinder- und Jugendparlamenten von der Gemeinde in eigener Verantwortung generelle oder einzelfallbezogene Rede- und Antragsrechte auch im Plenum und den Ausschüssen der Gemeindevertretung eingeräumt werden können, wobei Landesgesetze dies beschränken können.
Bindende Entscheidungsrechte im Plenum der Gemeindevertretung müssen hingegen bei den von allen Bürgerinnen und Bürgern gewählten Vertreterinnen und Vertretern verbleiben und können für Kinder und Jugendliche ohne passives Wahlrecht nicht eingeräumt werden. Gleichwohl können bestimmte Entscheidungen im Einzelfall auf die Kinder- und Jugendparlamente übertragen werden, solange die Gemeindevertretung das Letztentscheidungsrecht behält.
Nach Ansicht der Gutachter bedarf die Entscheidung, ob Kinder und Jugendliche in kommunalen Ausschüssen ein Stimmrecht erhalten, einer gesetzgeberischen Entscheidung im jeweiligen Bundesland. Liegt eine solche nicht vor, haben auch in den Ausschüssen der Gemeindevertretung Kinder und Jugendliche kein Stimmrecht. Zudem wurde festgestellt, dass sich Jugendhilfeausschüsse mit ihrer spezifischen Struktur und Funktion von demokratisch vollständig legitimierungsbedürftigen Ausschüssen kommunaler Selbstverwaltungskörperschaften unterscheiden. Die Mitglieder von Jugendhilfeausschüssen, die nicht von den Kommunalparlamenten entsandt werden, können aus bundesrechtlicher Perspektive auch jünger als 18 Jahre sein. Das jeweilige Landesrecht kann jedoch etwas anderes bestimmen.
Das Rechtsgutachten „Rechtliche Rahmenbedingungen der institutionellen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland“ wurde im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes von Prof. Dr. Philipp B. Donath (University of Labour – Europäische Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt) sowie von Dipl.-Jur. Alexander Heger und Prof. Dr. Dr. Rainer Hofmann (Goethe-Universität Frankfurt am Main) erstellt. Es kann unter www.dkhw.de/shop-rechtsgutachten, eine jugendgerechte Version unter www.dkhw.de/shop-rechtsgutachten-jugendliche heruntergeladen werden. Das Gutachten ist ein Produkt der Initiative Starke Kinder- und Jugendparlamente. Diese wird getragen von der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente in Trägerschaft des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e. V, dem für die „Jugendstrategie und eigenständige Jugendpolitik“ zuständigen Fachreferat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie aus der Servicestelle Starke Kinder- und Jugendparlamente beim Deutschen Kinderhilfswerk. Das Gutachten wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit 50 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein finanziert sich überwiegend aus privaten Spenden, dafür stehen seine Spendendosen an ca. 40.000 Standorten in Deutschland. Das Deutsche Kinderhilfswerk initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland.
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