Mobilitätsverband: Das sogenannte „Dienstwagenprivileg“ gibt es nicht!

Mobilitätsverband zeigt, warum Dienstwagen vorteilhaft sind – auch aus Nachhaltigkeitsgründen / Regulatorische Änderungen würden zu Steuereinbußen führen und Innovationskraft bremsen

Mobilitätsverband: Das sogenannte "Dienstwagenprivileg" gibt es nicht!

Der Mobilitätsverband bezieht Stellung zum sogenannten „Dienstwagenprivileg“.

Mannheim, Dezember 2023. Umweltorganisationen haben derzeit wieder mal Diskussionen ausgelöst und fordern die „Abschaffung des Dienstwagenprivilegs“. Von hohen Einsparungen ist die Rede. Der Bundesverband Betriebliche Mobilität e.V. (BBM) empfindet diese Diskussion nicht nur als ärgerlich, sondern sieht auch viele faktische Fehler. Marc-Oliver Prinzing, Vorstandsvorsitzender des BBM, hat die Argumente zusammengestellt und die Fakten gecheckt.

Die Diskussion um den Abbau klimaschädlicher Subventionen hat nicht zuletzt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimafond neuen Aufwind erhalten. Die Diskussionen um Finanzierung und Bestand des 49 Euro-Tickets zeigten zudem, wie schwierig es für Unternehmen ist, eine geänderte, nachhaltige Mobilität zu planen. Denn es herrscht keine Sicherheit, ob beschlossene Maßnahmen dauerhaft Bestand haben. Im Bereich von Subventionierungen geht es unter anderem um Dieselkraftstoffe und die Frage des Abbaus des sogenannten „Dienstwagenprivilegs“ wird aktuell heftig diskutiert. Umweltakteure wie zum Beispiel „Agora Verkehrswende“ oder die „Deutsche Umwelthilfe“ (DUH) bemühen sich massiv um eine Änderung der Regulatorik und versuchen, ihre Positionen politisch durchzusetzen.

In vielen Diskussionen wird der Begriff Dienstwagenprivileg inflationär genutzt, dies leider aber eher im polemischen Bereich. Aus unserer Sicht wird es Zeit, das Thema mehr fachlich und sachlich zu beleuchten. Mit der pauschalen Aussage, Dienstwagenprivilegien müssten abgeschafft werden, wird nach dem Gießkannenprinzip agiert. Eine genauere Differenzierung ist aber notwendig, um eine zielführende und lösungsorientierte Diskussion zu erreichen.

So sagt die DUH: „Für die private Nutzung eines Dienstwagens muss derzeit – unabhängig von den gefahrenen Kilometern – pauschal maximal 1 Prozent des Bruttolistenpreises monatlich als geldwerter Vorteil versteuert werden. Bei Elektroautos bis zu einem Bruttolistenpreis von 60.000 Euro sind es sogar nur 0,25 Prozent, bei Preisen darüber 0,5 Prozent. Diese Obergrenze soll nun auf 80.000 Euro angehoben werden, sodass sich ausgerechnet für teurere, typischerweise große und schwere Elektroautos die steuerlichen Kosten für die private Nutzung halbieren. Schon heute kostet das Dienstwagenprivileg, von dem fast ausschließlich die einkommensstärksten 10 Prozent der Bevölkerung profitieren, Steuerzahlerinnen und Steuerzahler jährlich bis zu 5,5 Milliarden Euro. Durch eine umfassende Reform würden zusätzliche Haushaltsmittel in Milliardenhöhe frei, die für notwendige Investitionen in die Mobilitätswende genutzt werden könnten. Zugleich könnten durch eine Abschaffung des Dienstwagenprivilegs laut Studien jedes Jahr bis zu 5,8 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase eingespart werden. „

Die Deutsche Umwelthilfe vermengt hier mehrere Themenfelder und stellt diese teilweise faktisch falsch dar. In der politischen Diskussion mag dies zweckdienlich sein und in den Medien scheint diese Ungenauigkeit keine große Rolle zu spielen. Allein der genutzte Begriff Dienstwagenprivileg stellt ein klares Framing dar. Der Hinweis, dass dieses angebliche Privileg fast ausschließlich den einkommensstärksten zehn Prozent zugutekäme, zeigt, welche Instrumente in dieser Diskussion genutzt werden. Soziale Ungerechtigkeit, Sozialneid, umweltschädliches Verhalten… Eine brisante Mischung aus Argumenten, die bei näherer Betrachtung weder korrekt noch im Detail belegbar sind. Im Gegenteil. Es geht offenbar um Stimmungsmache, die in der offiziellen Lesart der Einführung von Elektromobilität und damit der Nachhaltigkeit zuträglich sein soll. Diese Emotionalisierung ist nur deshalb möglich, weil sich die Forderungen de facto nicht belegen lassen. Daher die nahezu unwidersprochene Nutzung eines Framings und die Bedienung allgemeiner, bereits vorhandener Ressentiments. Anders gesagt: Der Idealismus wächst mit der Entfernung zum Problem.

Faktencheck:
„…das Dienstwagenprivileg, von dem fast ausschließlich die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung profitieren…“
Hierzu gibt es weder offizielle Zahlen noch belastbare Studien. Deshalb lohnt es sich nicht, auf weiterführende Behauptungen diesbezüglich einzugehen. Es handelt sich also um eine unhaltbare Behauptung oder einfach gesagt, um eine Vermutung. Dass eher einkommensstärkere Teile der Bevölkerung einen Dienstwagen nutzen können, kann jedoch angenommen werden, da dieser meist mit einer Berufstätigkeit einhergeht, die eine qualifizierten Ausbildung voraussetzt. Die amtliche Statistik definiert Reichtum in der Regel als das Doppelte des Medianeinkommens – also 3.892 Euro bei Singles. Paare ohne Kinder zählen ab einem monatlichen Nettoeinkommen von 5.294 Euro zu den Top-10-Verdienern.

Der Dienstwagen ist also in den meisten Fällen kein Privileg von „Reichen“, sondern ein Gehaltsbestandteil vieler Berufstätiger.
Die Bezeichnung „Privileg“ resultiert jedoch eigentlich aus der steuerrechtlichen Behandlung eines Dienstwagens. Die anteilige Privatnutzung des Dienstwagens wird als geldwerter Vorteil einer zusätzlichen Besteuerung unterworfen. Aktuell wird diese meist über die sogenannte Pauschalversteuerung abgewickelt. Dabei versteuert ein Dienstwagennutzer ein Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs sowie 0,03 Prozent desselben je einmalige Entfernung Kilometer der Arbeitsstätte zum Wohnort.

Bei Elektrofahrzeugen reduziert sich dieser Satz auf maximal 0,25 Prozent, bei Plug-in Hybriden auf 0,5 Prozent des Basiswerts.

Beispiel:
Frau Müller ist im Außendienst tätig. Sie verdient 3.810 Euro brutto pro Monat . Für Ihre Tätigkeit erhält sie einen Dienstwagen, der auch privat genutzt werden darf. Bruttolistenpreis des Fahrzeugs: 46.750 Euro . Sie hat 25 Kilometer Wegstrecke zu ihrer ersten Arbeitsstätte, ist Single, gesetzlich versichert und hat keine Kinderfreibeträge.
Für die anteilige Privatnutzung muss sie somit 817 Euro versteuern. In Folge kostet sie dies circa 410 Euro netto. Das entspricht circa 17 Prozent ihres Nettogehalts ohne Dienstwagen. Ihr Arbeitgeber bezahlt zusätzlich zu den Fahrzeugkosten anteilig Abgaben in Höhe von circa 320 Euro. In Summe werden für die Privatnutzung des Dienstwagens 730 Euro monatlich abgeführt.

Unbestreitbar ist, dass bei einem geringen dienstlichen Nutzungsanteil ein Dienstwagen an Vorteil gewinnt. Die grundsätzlichen Fragen zur Relevanz dieses Themas wurde bisher jedoch nie näher untersucht. Die aktuell veröffentlichte „USER CHOOSER STUDIE 2023“ von Dataforce gibt erstmals einen genaueren Einblick.
Abgeleitet aus der Studie kann man davon ausgehen, dass lediglich circa 50 Prozent der gewerblich zugelassenen Pkw privat genutzt werden dürfen. Davon sind circa 30 Prozent reine Benefit-Fahrzeuge, also Autos, die nicht für Dienstzwecke benötigt werden. Alle anderen Pkw werden für betriebliche Zwecke benötigt. In dieser Gruppe liegt vermutlich auch der größte Teil an Fahrzeugen, die auch privat genutzt werden dürfen. Der Anteil an gewerblich zugelassenen Pkw in Deutschland beträgt in Summe circa elf Prozent (von knapp 49 Millionen).

Die Diskussion um die Abschaffung des „Dienstwagenprivilegs“ zielt also auf lediglich circa 1,65 Prozent des gesamten Pkw-Bestands in Deutschland. Davon sind 70 Prozent der Fahrzeugnutzer tagtäglich auf ihr Fahrzeug angewiesen, um ihren Job zu machen. Diese würden durch die Abschaffung des sogenannten Dienstwagenprivilegs massiv in ihren Haushaltseinkommen beeinträchtigt.

Folgen einer Abschaffung des „Dienstwagenprivilegs“
Geht man davon aus, dass die Versteuerung der Privatnutzung geändert würde, muss man sich die Frage nach den Folgen einer solchen Änderung stellen. Was wären die Vorteile und vor allem für wen entstünden diese?
Die Idee von Agora und DUH ist es, die Versteuerung von Verbrennern um 50 bis 100 Prozent anzuheben. Wer weiter einen Dienstwagen privat nutzen möchte und sich dies nicht mehr leisten kann, könnte ja dann (theoretisch) auf ein aktuell noch steuervergünstigtes Elektrofahrzeug umsteigen.

Nur 50 Prozent der Nutzer zählen laut der Dataforce Studie zu den sogenannten „User Choosern“, also zu Dienstwagenberechtigten, die sich im Rahmen der Dienstwagenordnung ihres Unternehmens ihr Fahrzeug aussuchen dürfen. Damit wird klar, nicht der Nutzer entscheidet über die zur Auswahl stehenden Fahrzeuge und Antriebsarten, sondern das Unternehmen. Diese Vorgabe wird auf Basis von Wirtschaftlichkeit, Fahrprofil, Nutzungsanforderungen, Image, Sicherheit und Nachhaltigkeit getroffen. Wo hier Elektrofahrzeug nicht möglich sind, kann der Nutzer auch kein E-Auto auswählen.

In Folge würde es zu Ausweichbewegungen kommen. Statt Dienstwagen würden Nutzer auf das Privatnutzungsrecht verzichten müssen und sich selbst einen vermutlich älteren Gebrauchtwagen für den privaten Bedarf kaufen. Diese sind dann aber aufgrund des älteren technischen Standes weniger nachhaltig und haben als Antriebsart in der Regel Verbrennungsmotoren. Bei dann circa 820 Euro monatlichem Budget (anstatt Dienstwagen in unserem Beispiel) wäre dies kein Problem. Zudem würden Dienstwagennutzer von ihrem Unternehmen für den Verzicht auf die Privatnutzung zu Recht eine gehaltliche Kompensation fordern.

Alternativ würden Dienstwagennutzer, die bisher den Aufwand scheuen, auf die sogenannte Fahrtenbuchlösung ausweichen. Dies würde zu weiteren massiven Steuerausfällen führen.
Die Folgen:
– Zusätzliche (schlecht ausgelastete) Fahrzeuge auf unseren Straßen und im Verkehrsraum.
– Ersatz von modernen, emissionsarmen Fahrzeugen durch ältere Gebrauchtfahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß.
– Höhere Kosten für Unternehmen, die auf Produkte und Dienstleistungen umgelegt werden müssten.
– Hohe Verluste an Einkommenssteuern und Einzahlungen in die Sozialkassen durch Wegfall der Versteuerung des geldwerten Vorteils.
– Demotivation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Wir arbeiten gemeinsam mit unseren Mitgliedern intensiv an alternativen Mobilitätskonzepten und erfreulicherweise werden diese wo möglich auch zur Verbesserung der Mitarbeitendenmobilität eingeführt. Unternehmen können aber nicht rein idealistisch arbeiten und die idealisierte und weltfremde Vorstellung, dass Dienstwagennutzer in Folge einer solchen Veränderung auf ÖPNV und privat gekaufte Elektrofahrzeuge umsteigen würden, entspringt mehr dem Motto „Der kleine Nils möchte aus dem Kinderparadies abgeholt werden“, aber nicht der unternehmerischen, wirtschaftlichen und sozialen Realität.
Unternehmen tragen heute bereits zu einem wesentlichen Anteil zur Elektrifizierung der automobilen Mobilität bei und sorgen durch schnellere Fahrzeug-Tauschzyklen für attraktive und eher zahlbare Gebrauchtfahrzeuge auf dem Privatmarkt.

In der gesamten Diskussion sollte nicht vergessen werden, dass derzeit circa 60 bis 65 Prozent der Pkw-Neuzulassungen auf gewerbliche Halter entfallen. Eine Änderung der Versteuerung von Dienstwagen hätte auch empfindliche Folgen für die deutsche Autoindustrie und den Autohandel. Und dies in einer aktuell bereits schwierigen Phase in dieser Branche durch die notwendige Transformation hin zur Elektromobilität.

Die geforderten Maßnahmen basierend auf dem Begriff eines nicht vorhandenen „Dienstwagenprivilegs“ würden massive negative Auswirkungen auf Einkommensstrukturen Arbeitnehmern haben, den Kostendruck auf Unternehmen weiter steigern und gesamtwirtschaftlich zu hohen Steuerausfällen führen.

Es ist kontraproduktiv eine soziale Neiddebatte für einen notwendigen Umstieg auf E-Mobilität vom Zaun zu brechen oder weiter zu führen. Bereits heute können sich laut der aktuellen Dataforce-Studie über 20 Prozent der befragten Dienstwagennutzer vorstellen, als nächstes ein E-Auto auszuwählen. Auch ohne Repressalien. Wesentlich zielführender wäre es, Unternehmen bei der Transformation und den nicht unerheblichen Investitionen hierfür zu unterstützen. Eine Veränderung der Versteuerung des geldwerten Vorteils, wie sie Agora und DUH fordern, würde das Gegenteil bedeuten.

Unser Verband und unsere Mitglieder haben ein essenzielles Interesse an der Reduzierung nachteiliger Umweltwirkungen durch betriebliche Mobilität. Als Gestalter eines Großteils der Mobilität in Deutschland sind wir in der Lage, entscheidende Änderungen herbeizuführen, die auch eine Reduzierung der automobilen Mobilität zur Folge haben kann und soll. Hierzu werden auf vielen Ebenen nachhaltige Mobilitätskonzepte entwickelt, die (einschließlich ÖPNV) sinnvoll zu fördern sind. Hierfür benötigen unsere Mitglieder und alle Unternehmen staatliche Unterstützung, die nicht zwingend Zuschüsse und Subventionen sein müssen. Zusätzliche Belastungen, Wunschdenken und Sozialneiddebatten ohne Faktenbasis sind hierbei nicht zweckdienlich und zielführend.

Marc-Oliver Prinzing, Vorsitzender
Bundesverband Betriebliche Mobilität e. V.
www.mobilitaetsverband.de

Der Bundesverband Betriebliche Mobilität wurde im Oktober 2010 als Bundesverband Fuhrparkmanagement und Initiative von Fuhrparkverantwortlichen gegründet. Themenschwerpunkte des Verbandes sind alle Aspekte der nachhaltigen betrieblichen Mitarbeiter-Mobilität. Mit fast 600 Mitgliedsunternehmen ist der Verband das größte Netzwerk rund um diese Themen. Er vertritt die Interessen seiner Mitglieder und stellt seine Expertise bereit. Der BBM ist Mitbegründer und Mitglied der FMFE Fleet and Mobility Management Federation Europe.

Vorstandsmitglieder des Verbandes sind Marc-Oliver Prinzing (Vorsitzender), Dieter Grün (stv. Vorsitzender, Fuhrparkleiter Stadtwerke Heidelberg Netze), Melanie Schmahl (stv. Vorsitzende, Leiterin Fleetmanagement und Passenger Transport, Boehringer Ingelheim) und Claudia Westphal (stv. Vorsitzende, Fuhrparkleiterin Beiersdorf AG). Geschäftsführer und Vorstandsmitglied ist Axel Schäfer. Sitz des Verbandes und der Geschäftsstelle ist Mannheim.

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