Waren die Gebrüder Sass die Anfänge der Clan Kriminalität in Berlin? Auf Spurensuche: Wie die Gebrüder vor hundert Jahren die Polizei zum Narren und das geschätzte Publikum unterhielten. Von Thomas Friese, Unternehmensberater und Immobilienexperte
Auch in den wilden zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wollten Zeitungen verkauft werden, brauchen Berliner Polizisten Heldengeschichten und das Berliner Publikum musste unterhalten werden. Berliner Kriminelle und Immobilien, dreiste Einbrüche und technisch versierte Panzerknacker lieferten Geschichten, die auch heute noch genauso passieren. Diese Darstellung berichtet über die Gebrüder Sass. Bei genauerer Betrachtung hat die Welt sich nicht groß verändert. Die meisten Immobilien stehen noch, wie das Kriminalgericht in Berlin Moabit, nur die Mode hat sich geändert und die Namen sind heute andere. Aber auch heute – hundert Jahre später – unterhalten erhitzte Kriminalreporter die Berliner mit saftigen Geschichten von großen und kleinen Kriminellen. Auch heute geben Berufsverbrecher gerne Interviews und suchen den Kontakt zum Publikum. Da freut sich der Steuerbürger über die Zeitungsmeldungen und der Staatsanwalt in der Amtsstube: Gerade wird stolz berichtet, dass einem vielköpfigen kriminellen Clan 77 (!) Immobilien unter dem Hintern weg beschlagnahmt worden seien und diese große Tat der Gerechtigkeit gerichtlich bestätigt wurde (Beschlagnahmeanordnung, Landgericht Berlin, vom Kammergericht Berlin zu Aktenzeichen 4 Ws 46/20 letztinstanzlich rechtskräftig). Polizei, Gerichtssprecher und Presse feiern, dass 2021 verhindert werden konnte, dass ein Mietshaus in Berlin-Friedrichshain von einem anderen Clan mittels Identitätsdiebstahl zwangsenteignet wurde. Frech grinst der Straftäter in die Kameras, geschäftig werkelt die Polizei und Justiz im immerwährenden Kampf gegen das Böse – heute wie gestern – und gerne schauen alle sich gruselnd zu. Wer nichts wird, wird kriminell, und wenn es ganz gut läuft, dann wird daraus eine „Netflix“ Serie.
Gebrüder Sass aus Berlin waren wohl erste „Clan Kriminelle“ – 1920
Das Phänomen Clan Kriminalität mit seinen Ausprägungen – freches Auftreten, schicke Kleidung und Angeber-Automobile gab es schon vor Hundert Jahren in Berlin. Hier hatte der Clan der Brüder zwar einen deutschen Nachnamen, alles andere lässt sich wiederfinden. Die Gerichtsgebäude des Kriminalgerichts Moabit in Berlin haben die Zeiten der Wirren gut überstanden und sehen von innen und außen noch genauso aus, wie vor 100 Jahren, als die Gebrüder Sass sich wiederholt vor dem Strafrichter dort verantworten mussten.
Wer waren die Gebrüder Sass? Franz und Erich Sass aus Berlin Moabit
Berlin, ärmliche Gegend, Birkenstraße 57 Seitenflügel, hier wohnte Vater Andreas, der als Schneider unter den Linden in Berlin und die Mutter Marie, Wäscherin in dem Krankenhaus Moabit, arbeiteten. Die Birkenstraße liegt im Stadtteil MOABIT. Der Immobilienstandort Moabit gilt dem Berliner nicht gerade als Berlin-Grunewald oder Berlin-Mitte, auch wenn es nicht gerne gesagt wird. Der Legende nach haben die Hugenotten, angesiedelt von Friedrich I, den kargen Landstrich „la terre maudite“ 1716 genannt, also vermaledeites Land. Daraus machte der Berliner in seiner unvergleichlichen Mundart dann „Moabit“.
Fünf Söhne hatten die Eheleute Sass, die zwischen 1902 und 1914 zur Welt kamen. Aber zum Verbrecher wird ja niemand geboren. Erhaltene Gerichtsakten geben Einblick in die Verhältnisse. So gibt Mutter Marie zu Protokoll: „mit meinem Ehemanne stehe ich nicht besonders. Wir leben seit Jahren getrennt….“, wobei die Trennung nicht vollzogen werden konnte und die Familie mit fünf Söhnen in extrem beengten Verhältnissen zusammen leben musste. Auch kam eine Scheidung nicht durch, weil keine Prozesskostenhilfe gewährt wurde (damals anschaulicher Armenrecht genannt). So kamen die fünf Söhne schnell auf die Straße und zwei von ihnen begannen eine bemerkenswerte Verbrecherkarriere, die die Öffentlichkeit bald interessierte.
Franz und Erich Sass werden deutschlandweit bekannte Berufsverbrecher
Drei Jungs der Familie Sass werden gute Bürger und Steuerzahler. Mancher nach ernsten Schwierigkeiten, andere wiederum sofort, obgleich das städtische Jugendamt trocken konstatiert: „Der dauernde Unfriede sowie die ständige Abwesenheit der Mutter, die außerhalb schwer arbeiten musste, beeinflußte die Erziehung ungünstig…, die Kinder waren stets unbeaufsichtigt und sich selbst überlassen.“ Jedenfalls fängt der Bruder Franz bereits mit zwölf Jahren als Assistent seines Bruders Erich als Straftäter an. Fürsorgeerziehung, Gefängnis und wieder Herumtreiben bestimmen die Kinder- und Jugendjahre. Erich bricht eine Lehre bei einem Schlossermeister ab. Gelernt hat er aber etwas ganz wesentliches: der geschickte Umgang mit dem Schweißgerät. Auch ein Meisterdieb muss erst einmal Grundwissen erwerben. Ein guter Tresorknacker sollte schweißen können. Bald schließen sich die Herren Söhne Sass fest als Bande zusammen und beschließen sich ab jetzt nicht mehr erwischen zu lassen. Franz ist ein guter Redner und guter Stratege, Erich hat das handwerkliche Geschick. Schnell steigen die Herren auf in die Riege der bekannten Berliner Kriminellen. Zeitzeugen beschreiben sie nach Jahrzehnten später als „propere Jungs, schicke Bengels“ in edler Kleidung. So wird für die Herren Franz und Erich Sass bei dem „Hoflieferanten und Hofschneidermeister Bothmer & Dünzer“ in Berlin bestellt: Maßanzüge und seiden gefütterte Mäntel. Anfang der zwanziger Jahre lebten die Herren Sass noch von kleineren Gaunereien. Mittels eines Tricks beschafften sie sich aber modernste Technik: ein Schweißgerät vom Feinsten. Handlich und gut. Die Polizei war ihnen bereits auf den Fersen, konnte aber nichts nachweisen. Heimatverbunden wie die Straftäter waren probierten sie es zuerst ganz in der Nähe des Kriminalgerichts Berlin-Moabit bei einer Filiale der Deutschen Bank. Jedenfalls war ihnen der Fleiß und das Geschick nicht holt. Der Tresor hielt dem Angriff stand am 28. März 1927.
Fehlschläge halten die Gebrüder Sass nicht auf
Die Berliner Polizei staunt nicht schlecht: keinerlei Fingerabdrücke und eine saubere Schweißarbeit. Den Herren Clan Kriminellen war das Gas für das Schweißgerät leider vorzeitig ausgegangen. Mit Immobilien kennen sie sich offenbar aus. Zielstrebig über Hinterhöfe zur richtigen Tür und dann innerhalb des Gebäudes gleich in die richtige Richtung. Eine heiße Arbeit mit dem Schweißbrenner war ungewöhnlich damals, genauso wie die Dreistigkeit der Clan Kriminellen 2017, die einfach in das Bode Museum in Berlin eindringen und die „Big Maple Leaf“-Goldmünze stehlen und so eine Millionen Beute machen. Wichtig ist wohl immer die richtige Vorbereitung und die Kenntnis von Grundrissen der zu besuchenden Immobilien in Berlin. Jedenfalls waren die Zeitungen nach dem 28. März 1927 voll von den Geschehnissen in der Deutschen Bank in Berlin Moabit.
Eine weitere Sass Arbeit: Dresdner Bank Savignyplatz 11/ Ecke Kantstraße in Berlin Charlottenburg und so weiter und so weiter
Trotz eindeutiger Hinweise und Beschattung durch die Polizei arbeiten die Herren weiter an ihrem Image als Berufs-Kriminelle. Im Herbst 1927 ist die Dresdner Bank an der Reihe. Ruhig und gediegen arbeiten die Tresorknacker am Wochenende. Leider kommt ihnen der Kassenbote Thiel dazwischen, der am Sonntag die Bankräume reinigen wollte. Die Arbeit musste abgebrochen werden. Abtauchen konnten die Herren. Allerdings nicht in die elterliche Wohnung nach Berlin Moabit, sondern zwischen den Straftaten gönnten sie sich so manchen schönen Urlaub. London oder Monte Carlo waren die Ziele. Jedenfalls ging es dann im März 1928 weiter. Das Ziel war diesmal der Lohn Tresor der Reichsbahnzentrale am Schöneberger Ufer mit über einer Million Reichsmark… auch hier wieder ein Rückschlag. Die Schweißarbeiter werden gestört und müssen unverrichteter Dinge flüchten. Spuren hinterlassen sie allerdings keine. Dann geht es ein paar Wochen weiter zur nächsten Bank in die Budapester Straße 53, da wird es knapp. Ein Rechtsanwalt mit feiner Nase vernimmt Brandgeruch. Die Polizei wird gerufen und eilt herbei. Eine Sass Arbeit kein Zweifel. Ordentlich ist die Wand aufgestemmt und die Schweißarbeiten hatten begonnen. Die Gebrüder Sass müssen sich am Tatort verstecken und erweisen sich als nervenstark – sie bleiben versteckt bis Polizei und aufgeregte Nachbarschaft abgezogen sind. Das war knapp. Die Polizei hatte im übrigen alle Hände voll zu tun in Berlin in diesen Zeiten. Damals gibt es nicht nur familiäre Clans sondern auch organisierte Clans kraft Mitgliedschaft. Ringvereine genannt gern mit Namen wie Immertreu, Hand in Hand oder Bergadler. Außerdem war die bürgerliche Polizei belastet von Straßenschlachten zwischen aufkommenden Nazis und Kommunisten und Demonstrationen aller Art.
Das Meisterstück – Disconto Bank 1929 – Millionen Beute
Im Januar 1929 dann das Meisterstück. Ort: Wittenbergplatz, Kleiststraße 23/Ecke Bayreuther Straße, Tatzeit: 27. Januar 1929, Name Disconto Bank. Erfolg: 179 von 181 Kundensafes fachmännisch geöffnet. Diesmal waren die Herren Sass mehr als erfolgreich, so erfolgreich, dass es unmöglich war, die gesamte Beute mitzunehmen. Gefeiert wurde auch: zwei geleerte Weinflaschen und jede Menge unaufgeräumte Wertsachen aller Art. Die Polizei staunt nicht schlecht. Saubere Arbeit vor Ort und Tiefbau Kenntnisse auf dem Weg zum Tatort und auf der Flucht. Einen ordentlichen Schacht hatten die Gebrüder Sass vom Hinterhof zum Tresorraum gegraben. Die Polizei begann eifrig mit Ermittlungen, die organisierten Clans konnten aber nicht helfen (die Gebrüder Sass waren nicht Mitglied bei Immertreu und Co.), die eilig wieder aufgenomme Beobachtung der elterlichen Wohnung in der Birkenstraße durch Polizistinnen getarnt als „Pennschwestern“ (heute wohl Sexarbeiterinnen genannt) erwies sich als absolut wirkungslos.
Jedenfalls zeigten sich die Gebrüder Sass in aller Öffentlichkeit im Maßanzug und bevölkerten Cafes und Restaurants in feinen Gegenden der Stadt Berlin. Die übervölkerte Wohnung in der Birkenstraße blieb der Hauptwohnsitz. Wenn die Polizei erscheint – das tut sie häufig in diesen Jahren – sind die Sasses vorgewarnt, versteckt sich doch unter dem Abtreter vor der Wohnungstür ein Elektroschalter für ein Warnlämpchen in der Wohnung. Clever und technisch apart in dieser Zeit. Schlimm natürlich für die Angehörigen, es mag zwar sein, dass der Vater Sass keine gute Ehe führte und die Mutter Marie und die anderen Söhne nicht besonders helle Köpfe waren, kriminell waren sie jedenfalls nicht. Diese Verwandten hatten halt das Pech in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu den schwarzen Schafen der Familie zu stehen, so wie heute die ganzen Verwandten der Clan Verbrecher, die ebenfalls brave Bürger sind und die einen weiten Bogen machen um das Kriminalgericht Moabit. Sozusagen mitgefangen und mitgelitten kraft eines bekannten Nachnamens. Zurück zu den Ermittlungen wegen der aufgebrochenen Schließfächer. Zwar kamen die Brüder in Untersuchungshaft, es war den Herren nichts nachzuweisen, zumal ein damals bekannter Rechtsanwalt namens Dr. Müller Stromeyer aus Alt Moabit die dürftigen Beweise der Justiz in der Luft zerriss.
Berlin lacht sich kaputt – Polizei blamiert
Die smarten Jungs mussten also zähneknirschend von den Strafverfolgern aus dem Untersuchungsgefängnis am Kriminalgericht Moabit entlassen werden und konnten – die paar Meter – zu Fuß in die elterliche Wohnung laufen. Moabit – das vermaledeite Land – ist nicht so groß und das Prachtgebäude Kriminalgericht (Baujahr 1906 mit Zentralheizung und erster elektrischer Beleuchtung in Berlin) war so nah gelegen, dass sich eine Kraftdroschke nicht lohnte. Kaum zu Hause ging es dann doch mit dem Automobil in eine bessere Gegend. Anwalt Dr. Müller Stromeyer hatte die Hauptstadtpresse nach Berlin Mitte geladen. Gereicht wurden Sekt und kleine Häppchen bei Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt. Frechheit siegt! Bei der Pressekonferenz klagten die „unschuldigen“ Gebrüder Sass über die raue Behandlung, die angebliche Polizeigewalt bei den Verhören und die Unfähigkeit der Polizei die richtigen Täter zu fassen. Tagelange Berichterstattung ist die Folge, selbst im damals fernen Amerika nimmt die Presse Kenntnis. Heiter war natürlich auch, dass die Kunden der Diskontobank, die dort Schwarzgeld bunkern in den Schließfächern, sich einfach nicht melden wollen bei der Polizei, um die Beute zu konkretisieren. Die Opfer des Einbruchs waren dann wohl betrogene Betrüger. Die dreisten Diebe Sass taten das was auch heute gerne Clan-Kriminelle in Berlin machen: man geht Kaffeetrinken in Berlin-Grunewald, flaniert über die Pracht Chaussee Unter den Linden oder unternimmt Repräsentations-Fahrten mit Motorrad oder Luxusautomobil am Kurfürstendamm in Berlin. Genauso wie die modernen „Clan Kriminellen“ waren die Brüder Sass Aushängeschild Berlins, wobei es wohl keine Rolle spielt ob das Auto nun DKW oder Mercedes AMG heisst. Das sind „Geltungs Triebwagen“, deren technische Bezeichnung zurücktritt, weil es nur darum geht dem Geltungstrieb des Fahrers zu dienen.
Heute und gestern beliebt – Kriminelle gründen Autovermietungen für Luxusfahrzeuge
Woher stammte das Geld für all den Luxus und die Kraftfahrzeuge? Anwalt Dr. Müller-Stromeyer präsentiert ein Darlehensvertrag eines Vetters, der das Geld für einen Autoverleih der Gebrüder Sass zur Verfügung stellte. So verging das Jahr 1929. Ein Zeitensprung in das Jahr 2021. Gleiches Gericht, gleicher Fall. Aufmerksame Zeitungsleser erinnern sich vielleicht auch an den Chef eines Berliner Clans, komplett in die Luxusmarke Louis Vuitton gekleidet im Mai 2021, als er das altehrwürdige Gericht in Berlin betrat. Anklage: Betrug mit Luxusautos mittels Leasing für einen Autoverleih des eigenen Clans (endete mit Freispruch durch das Strafgericht). Wenn der Kriminelle das Geld und die Beute nicht zeigen darf und auch die Autos schon bezahlt sind, dann entstand damals wie heute ein Problem – die Verwaltung des Überflusses.
Gebrüder Sass – Problem aller Clans – wohin mit dem vielen Geld?
Die Sass-Brüder haben eine Idee – ein Versteck auf einem Friedhof. Handwerklich geschickt erstellen die Gebrüder Sass auf einem heute verschwundenen Friedhof „Luisenhof“ Guericke- und Cauerstraße in Berlin ein riesiges Versteck für Beute und Werkzeug unter der Erde. Gespenster vermuten manche zum Jahreswechsel 1929/1930 auf dem Gelände. Nachts ist einfach zu viel los bei den Gräbern. Die deshalb herbeigerufene Polizei findet mehr durch Glück als Suchen den Eingang und ist baff erstaunt über die Qualität des unterirdischen Verstecks auf dem Friedhof. Aufgeregt warten die Polizisten auf der Lauer, dass die Erbauer wieder kommen. Jedenfalls bringt auch hier die Beschattung nichts. Die Baumeister Sass tauchen nicht wieder auf. Zwar werden sie verhaftet, kommen aber sofort wieder frei. Der findige Anwalt hat ein Alibi parat. In der fraglichen Nacht zur fraglichen Zeit seien die beiden im Bus auf dem Oberdeck sitzend Augenzeugen eines Verkehrsunfall geworden – Hofjägerallee/Ecke großer Stern im Bezirk Tiergarten von Berlin. Auch der Dienstwagen des Polizeipräsidenten war in der Nähe gewesen. Die Herren machten eine lange Nase und wurden wieder entlassen. Das mühsam gegrabene Friedhofs Versteck waren die Herren Sass wieder los – und wohin mit der Beute, die im übrigen bis heute größtenteils verschwunden blieb. Langsam werden die Sass-Clanbrüder dann doch nervös und machen einen Fehler, der sie für einige Zeit in das Gefängnis bringen wird..
Stemmen, stemmen und nochmals stemmen – Berlin wird umgebaut
In Moabit finden sie Ecke Flemingstraße 1/Werftstraße im Keller eine Möglichkeit mittels Stemmarbeiten ein Versteck zu erstellen. Falls jemand jemals versucht hat in eine Berliner Immobilie aus der Gründerzeit eine Wand durchzustemmen, der weiß: diese Arbeiten sind angesichts der Solidität der Stein auf Stein erbauten Wände laut, anstrengend und lärmend. Diesmal war es zuviel: sie wurden erwischt und landeten vor dem Richter im Berliner Kriminalgericht – die Strafe lächerlich gering: ein Monat Gefängnis wegen Sachbeschädigung. Kaum draußen wurde wieder eine Immobilie verschönert – diesmal in der Krummestraße in Berlin-Charlottenburg. Das klappte leider wieder nicht. Ein bisschen Gefängnis noch, ein wenig Versuch der Geldfälschung, Passfälschung und Rumballern mit Waffen auf dem Kreuzberg in Berlin-Kreuzberg bringen uns in das Jahr 1933. Seit dem 30. Januar 1933 sind die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler an der Macht. Schlechte Zeiten für Kriminelle in Deutschland, nochzumal für solche auffälligen Angeber wie die Gebrüder Sass.
Ortswechsel 1933 von Berlin nach Dänemark
Mit der Bahn bequem von Berlin nach Kopenhagen zogen die Gebrüder Sass (erster Klasse und feiner Zwirn) weiter und nahmen im September 1933 Quartier in der Nähe des Kopenhagener Hauptbahnhofs. Im sonst so ruhigen Kopenhagen mehren sich bis Weihnachten die aufgeschweißten Geldtresore. Die Dänen lieben die Ordnung und den Frieden – vielleicht haben sie auch bessere Polizisten. Jedenfalls kommt es zu einer Durchsuchung des Hotelzimmers der Gebrüder Sass. Zwar hatten die Herren immer mal wieder das Hotel gewechselt, aber die dänische Polizei war an ihnen dran. Ihre Passfälschung der eigenen Pässe fällt sofort auf. Die ursprünglich echten Pässe waren im September 1932 abgelaufen.
Jetzt wendet sich das Blatt und die sehr ergiebige Beute des Raubzugs in Kopenhagen wird nach ausführlichem Suchen gefunden. Wieder hatten die Herren Umbaumaßnahmen an Immobilien vorgenommen und Verstecke gefunden. Auch in Berlin ist die Polizei alarmiert, hatten doch die Kopenhagener Polizei die Kollegen in Berlin am Alexanderplatz informiert. Im Polizeipräsidium entschließen sich die Ermittler zu rabiaten Maßnahmen. Ein Polizeitrupp fährt wieder einmal in die Birkenstraße 57 in Berlin Moabit und holt Mutter und Vater Sass aus dem täglichen Einerlei von Überarbeitung und Familienstreit. Die Tapete wird von den Wänden gerissen, Wände geöffnet, der Boden inspiziert. Diebesgut aller Art wird endlich gefunden. Auch in Dänemark läuft es nicht gut für die Sass Brüder: Vier Jahre Haftstrafe ab 1934 in Einzelhaft sind die Folge und danach Ausweisung in die deutsche Heimat. Am 3. März 1938 nahmen Kriminaler aus Berlin die Herren an der deutsch-dänischen Grenze in Empfang, zwei Jahre Untersuchungshaft in Spuck-Entfernung zur elterlichen Wohnung in Berlin folgen. Ein hartes Urteil dann in Berlin am 27.01.1940; die Gebrüder sollten für 11 beziehungsweise 13 Jahre in das Zuchthaus. Es sollte anders kommen. Gesundheitlich schwer angeschlagen, seelisch zermürbt wurden die Gebrüder Opfer der Paralleljustiz des Dritten Reiches. So findet sich in der Gerichtsakte der Vermerk: Ausgeliefert am 27. März 1940 an die Geheime Staatspolizei. Die Gebrüder Sass wurden am 27. März 1940 sofort erschossen; am nächsten Tag meldeten die gleichgeschalteten Zeitungen im ganzen Land: „Berufsverbrecher Sass bei Widerstand erschossen!“
Große Teile der Beute verschwunden
Viele Immobilien stehen heute noch, auch das Elternhaus in der Birkenstraße in Berlin-Moabit. Niemand weiß wo große Teile der Beute geblieben sind. Gold und Silber, Schmuck und so weiter blieben verschwunden. Nicht auszuschließen ist, dass bei Um- und Ausbauarbeiten irgendwann und irgendwo noch etwas gefunden wird.
Zugleich wird klar, dass der Mensch sich nicht groß verändert hat innerhalb von 100 Jahren. So manches Kind aus schwierigen Verhältnissen wird braver Staatsbürger, während ein anderer Namensträger der Familie die Großstadt Berlin unsicher macht. Wer viel arbeitet und sei es als Krimineller, der will auch zeigen was er hat. Nicht anders ist zu erklären, dass am Kurfürstendamm in Berlin auch heute noch Kraftfahrzeuge der Luxusklasse gefahren werden von Personen, die offiziell kaum Einkommen haben. Und dann das Problem mit der Beute aus den Straftaten. Heute wie gestern ein Problem. Wohin mit dem vielen Geld. Vergraben? Immobilien erwerben, Berlins Immobilienmarkt boomt bekanntlich? Keine gute Idee – schließlich kann alles zurückverfolgt und dann beschlagnahmt werden. Jedenfalls hat alles seine Ordnung: das Publikum seine Unterhaltung, Kriminelle und Polizei suchen und finden sich wie immer.
V.i.S.d.P.:
Thomas Friese
Unternehmensberater & Immobilienexperte
Über Thomas Friese:
Der Immobilienexperte und Projektentwickler Thomas Friese, Berlin/ Oldenburg (Niedersachsen) ist einer Ausbildung im steuerlichen Bereich seit Mitte der siebziger Jahre im Bereich Immobilienentwicklung und Vermarktung tätig.
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