In der Rechtsprechung im Daimler-Abgasskandal zeichnet sich eine Trendwende ab: Klägerinnen und Kläger sind zunehmend bereits in erster Instanz erfolgreich. Sie können überzeugend nachweisen, dass ihre Diesel-PKW aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung im normalen Betrieb mehr schädliche Abgase ausstoßen, als sie dürften. So verurteilte das Landgericht Stuttgart die Daimler AG am 21. Januar 2021 dazu, einen 2014 gebraucht gekauften Mercedes zurückzunehmen und dem Kläger im Gegenzug 30.450,08 Euro plus Verzugszinsen zu zahlen.
Der Stuttgarter Rechtsanwalt Andreas Lutz, der zahllose Eigentümer von Daimler-Diesel-PKW in Klagen gegen den Fahrzeughersteller vertritt, sagt: „Dass die Klagen inzwischen schneller von Erfolg gekrönt sind, hat vor allem mit der Argumentation zu tun.“ Bisher sei das sogenannte Thermofenster als Grund ins Feld geführt worden, um zu belegen, dass der Hersteller bewusst ein unzulässige Abschaltvorrichtung eingebaut habe. Ein Thermofenster bewirkt, dass die Abgasreinigung nur bei bestimmten Außentemperaturen vollständig funktioniert. Rechtlich strittig ist jedoch, ob es sich dabei tatsächlich um eine unzulässige Abschaltvorrichtungen im Sinne des Gesetzes handelt. Denn eine Abschaltung der Abgasreinigung darf erfolgen, wenn sie für den Motorschutz erforderlich ist.
Mit „Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung“ getrickst
Beim Mercedes Benz GLK 220 CDI 4MATIC, den der Kläger Andreas B.* 2014 erworben hatte, war jedoch eine sogenannte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung eingebaut. Dadurch kann das Fahrzeug auf dem Prüfstand alle Grenzwerte einhalten. Unter Normalbetrieb greift diese Regelung jedoch nicht, und der Wagen überschreitet die zulässigen Abgasgrenzwerte regelmäßig. Eine Motorschutzfunktion kann der Hersteller für diesen Mechanismus nicht ins Feld führen.
Kraftfahrbundesamt reagierte
Das Kraftfahrtbundesamt reagierte mit einem amtlichen Rückruf aller betroffenen Fahrzeuge dieses Typs aus der Baureihe von 2012 bis 2015. Die Begründung: Der Hersteller habe die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unzulässig reduziert. Andreas B. wollte, wie viele andere Daimler-Fahrerinnen und -Fahrer auch, sein Fahrzeug daraufhin zurückgeben. Vom Hersteller erhielt er jedoch lediglich ein Angebot zum Software-Update, das die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung vollständig deaktiviert. Dies hätte, bestätigt das Gericht, den Schadstoffausstoß weiter erhöht, weil das Fahrzeug dann beim Warmlaufen mehr Stickoxide und Ruß freisetzen würde.
Stilllegung des Fahrzeugs droht
Wie der Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt zeige, habe sich der Hersteller die EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeug „erschlichen“, schreibt das Gericht. Ein Widerruf der Zulassung und ein Erlöschen der Betriebserlaubnis stünden daher eventuell bevor. Halterinnen und Halter müssten ihre Fahrzeuge in einem solchen Fall stilllegen und verlören dadurch viel Geld.
Sittenwidrig und skrupellos
Wie das Stuttgarter Landgericht feststellt, sei es gerade für die Autoindustrie zentral, Umweltstandards einzuhalten. Wer korrekte Abgaswerte nur vortäusche, verursache umfangreiche Vermögensschäden bei den Käuferinnen und Käufern. Aufgrund der hohen Stückzahlen komme es außerdem zu beachtlichen Umweltbelastungen. Die Richterin findet daher harsche Worte für das Verhalten des beklagten Unternehmens: „Die Inkaufnahme eines derartigen Schadens zum Zwecke des Gewinnstrebens enthält ein hohes Maß an Skrupellosigkeit“, heißt es im Urteilstext wörtlich.
Mercedes-Käufer soll Geld zurückerhalten
Das Gericht verurteilte die Daimler AG im vorliegenden Fall daher dazu, den Wagen zurückzunehmen und Andreas B. den Kaufpreis abzüglich eines Nutzungsvorteils für die rund 65.000 gefahrenen Kilometer zu zahlen. Außerdem stehen dem Kläger Zinsen zu. Denn eigentlich hätte der Hersteller den Wagen direkt zurücknehmen müssen, als Andreas B. ihm dies anbot.
Gerechtigkeit für Schummel-Diesel-Opfer
Rechtsanwalt Andreas Lutz freut sich zusammen mit seinem Mandanten über den Erfolg. „Ich gehe davon aus, dass wir bei den Klagen gegen Daimler nun eine ähnliche Dynamik sehen werden, wie in den Fällen gegen VW. In Zukunft geben sicherlich immer mehr Gerichte den Klägerinnen und Klägern recht, die sich mit ihren Schummel-Dieseln nicht einfach abfinden möchten“, sagt er.
*Name geändert
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