Durchbruch: Perfektes Computergenerierte Augenprothesen aus dem 3D-Drucker überzeugen in der Praxis

Durchbruch: Perfektes Computergenerierte Augenprothesen aus dem 3D-Drucker überzeugen in der Praxis

Fraunhofer IGD 3D-Druckverfahren – Das künstliche rechte Auge, im Bild links zu sehen

Einsatz der Lösung des Fraunhofer IGD am Moorfields Eye Hospital

Hoffnung für hunderttausende Menschen in Europa: In reproduzierbar hoher Qualität und außerdem mit weniger Aufwand als bisher lassen sich Augenprothesen im 3D-Druckverfahren herstellen. Das Fraunhofer IGD unterstützt Okularistinnen und Okularisten mit einer Software sowie einem Druckertreiber bei der Arbeit. Mehr als 200 Patientinnen und Patienten profitieren bereits von der neuen Technologie. Ihre Methodik sowie aktuelle Ergebnisse präsentieren die Forschenden in einer Publikation, die in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications erschienen ist und nun allen Interessierten zur Verfügung steht.

2021 stellten die Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD ihre Technologien erstmals vor – seitdem revolutioniert der 3D-Druck die Herstellung von Augenprothesen am renommierten Moorfields Eye Hospital in London. „Mit optimal angepassten künstlichen Augen erhöht sich die Lebensqualität der Betroffenen enorm“, erklärt Johann Reinhard, stellvertretender Abteilungsleiter des Kompetenzzentrums 3D-Drucktechnologie. Dass die Prothese nicht nur optisch ideal zum zweiten vorhandenen Auge passt, sondern sich auch bestmöglich in die Augenhöhle einfügt, gewährleisten die Forschenden mit ihrem Verfahren aus Scan und 3D-Druck. Mit der Software Cuttlefish:Eye sowie dem Druckertreiber Cuttlefish® unterstützt das Fraunhofer IGD Okularistinnen und Okularisten. Die Software ist bislang in Großbritannien als Medizinprodukt zugelassen und soll künftig auch auf dem europäischen Festland zum Einsatz kommen.

Augenprothesen überzeugen Patienten und Okularisten

Die Publikation beschreibt die Technologie hinter der Cuttlefish:Eye Software und die Qualität der damit erstellten Augenprothesen. Dafür haben die Forschenden anhand von zehn Patientinnen und Patienten zwei Aspekte untersucht: Erscheinung und Form der Augenprothesen. Unter ersterem Begriff fassen sie etwa die Größe und Farbe von Iris und Pupille sowie die Texturierung der Sklera zusammen. Die befragten Okularistinnen und Okularisten bewerteten diese Punkte durchgängig hervorragend. „Patientinnen und Patienten beschreiben die 3D-gedruckten Augenprothesen als lebensverändernd“, fügt Reinhard hinzu. Hinsichtlich der Form kristallisierte sich in der Betrachtung der zehn Fälle heraus, für welche Patiententypen die Augenprothesen besser und für welche weniger geeignet sind. Dabei wurden unter anderem die notwendigen Anpassungen sowie die finale Blickrichtung und Beweglichkeit der Prothese untersucht.

Neben der durch die Automatisierung gleichbleibend hohen Qualität bringt der 3D-Druck einen weiteren Vorteil mit sich: die verkürzte Produktionszeit. Indem der Zeitaufwand für die Okularistinnen und Okularisten bis zu fünf Mal geringer ausfällt, lassen sich – je nach Stückzahl – auch die Kosten deutlich senken. „Viel wichtiger jedoch ist, dass mehr Patientinnen und Patienten behandelt werden können und sich deren Wartezeit auf eine neue Prothese verkürzen lässt“, erklärt Reinhard. Notwendig sind Augenprothesen meist nach schweren Verletzungen oder Erkrankungen – etwa 750.000 Menschen in Europa sind davon betroffen.

Schonendes Verfahren

Das digitale Verfahren des Ausmessens sowie der Produktion ist außerdem besonders schonend für die Patientinnen und Patienten: Mittels einer optischen Kohärenztomographie OCT (Optical Coherence Tomography) wird sowohl ein Scan der Augenhöhle als auch des gesunden Auges erstellt, eine integrierte Kamera liefert ein farbkalibriertes Bild. Der zuvor übliche Alginat-Abdruck der Augenhöhle ist nicht mehr notwendig. Cuttlefish:Eye verwendet ein statistisches Formmodell, um trotz unvollständiger Oberflächeninformationen der Augenhöhle die am besten passende Prothesenform vorherzusagen. So wird aus den OCT-Daten in wenigen Minuten ein passgenaues 3D-Modell der Augenprothese berechnet, das visuell mit dem gesunden Auge übereinstimmt. Die Produktion erfolgt auf einem Multimaterial 3D-Drucker, der über den 3D-Druckertreiber Cuttlefish® angesteuert wird. Hergestellt und vertrieben werden die Prothesen von Ocupeye Ltd.

Ihre Expertise aus dem Bereich 3D-Druck in Farbe sowie die Erfahrungen mit Cuttlefish:Eye übertragen die Forschenden außerdem in andere Themenfelder: Zahnrestaurationen und Epithesen sollen in Zukunft ebenfalls mittels Software gestaltet und mit dem erprobten Druckertreiber Cuttlefish® hergestellt werden.

Weiterführende Informationen:

Mehr über die Forschung des Fraunhofer IGD in der Augenheilkunde: https://www.igd.fraunhofer.de/de/branchen/gesundheit/augenheilkunde.html

Das Paper ist zu finden auf: https://www.nature.com/articles/s41467-024-45345-5

Über das Fraunhofer IGD:
Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD setzt seit über 30 Jahren Standards im Visual Computing, der bild- und modellbasierten Informatik. Die rund 210 Mitarbeitenden des Fraunhofer IGD unterstützten Unternehmen und Institutionen der Branchen Automotive, Gesundheit und Pflege, Bioökonomie und Infrastruktur, Software- und IT-Wirtschaft, Maritime Wirtschaft sowie Kultur- und Kreativwirtschaft. Das Fraunhofer IGD bietet konkrete technologische Lösungen und hilft bei der strategischen Entwicklung. Die Forscherinnen und Forscher betreiben Datenanalyse, konzipieren Soft- und Hardwaresysteme, entwickeln Prototypen und realisieren und implementieren visuell-interaktive Systeme. Schwerpunkte sind Mensch-Maschine-Interaktion, Virtual und Augmented Reality, künstliche Intelligenz, interaktive Simulation, Modellbildung sowie 3D-Druck und 3D-Scanning. Das Fraunhofer IGD betreibt seit 1987 Spitzenforschung und begleitet an seinen drei Standorten Darmstadt, Rostock und Kiel den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel mit anwendungsorientierten Lösungen. Internationale Relevanz entfalten seine Produkte durch die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Schwesterinstitut an den Standorten Graz und Klagenfurt sowie die Beteiligung an verschiedensten EU-Projekten.

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