Agiles Arbeiten bei Landmaschinenherstellern
In manchen Projekten steckt einfach der Wurm drin. Zeit und Kosten laufen aus dem Ruder. Die Ergebnisse bleiben enttäuschend und der wachsende Druck aus dem Management wirkt sich leider auch nicht wirklich hilfreich aus. Eine solche Erfahrung musste auch ein großer Landmaschinenhersteller bei der Entwicklung einer neuen Pflanzmaschine machen – bis das Management die Reißleine zog und das gesamte Projekt gemeinsam mit einem auf agile Produktentwicklung spezialisierten Beratungsunternehmen auf gänzlich neue agile Füße stellte. Und obwohl die Umstellung auf die für das Unternehmen neue Methodik Scrum eine äußerst ehrgeizige Aufgabe war, zeigen die Ergebnisse, dass die Entscheidung richtig und zukunftsweisend für das ganze Unternehmen ist.
Die ungute Mischung aus einem hohen Maß an organisatorischer und technischer Komplexität, nicht realisierbarer Termin- und Kostenplanungen, sich verändernden Anforderungen und einem inzwischen frustrierten Entwicklerteam hatte bei einem traditionsreichen Landmaschinenunternehmen dazu geführt, dass ein wichtiges Entwicklungsprojekt zu scheitern drohte. Insbesondere aufgrund der Unübersichtlichkeit des Projektes schien es auch nicht mehr möglich, konkrete Ursachen für den schlechten Verlauf zu identifizieren. Dass sich etwas ändern musste, stand deshalb außer Frage. In dieser Situation entstand die Idee, das Projekt mit agilen Methoden neu anzugehen.
Agilität ist eine Frage der Kultur
Neben anderen Anbietern wurden auch die Experten von CO Improve, einem Beratungsunternehmen spezialisiert auf die agile Entwicklung komplexer mechatronischer Produkte, zu ersten Vorgesprächen eingeladen. Im Rahmen eines „Agile Awareness Days“ wurde dem Thema „Agile Unternehmenskultur“ zunächst ein Arbeitstag gewidmet, um es mit allen Mitgliedern der Geschäftsleitung zu diskutieren. Ziel war es, allen Beteiligten bewusst zu machen, was ein agiles Pilotprojekt für das gesamte Unternehmen und das Topmanagement in der Konsequenz bedeutet. CO Improve Projektleiter Gerrit Gerland erklärt: „Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sich viele Unternehmen zwar für agiles Arbeiten interessieren, aber nicht wirklich bereit sind, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Damit wäre ein Scheitern vorprogrammiert. Stattdessen sollten alle Verantwortlichen schon im Vorfeld genau verstehen, welche Ansätze sie in ihr Unternehmen einführen und wie sich Führung und Arbeitskultur verändern werden.“ Das Management des Landmaschinenherstellers hat dieses sorgfältige Vorgehen und das Konzept der agilen Methodik Scrum schließlich überzeugt. So konnte das Projekt Schritt für Schritt umgesetzt werden.
Schritt eins: Implementierung des Veränderungsteams
Um festzustellen, wo genau welcher Veränderungsbedarf besteht und wie sich die Hindernisse beseitigen lassen, wurde zunächst ein übergeordnetes Projektteam „Veränderung“ gebildet. Dieses Team wurde als erstes mit der iterativen Vorgehensweise bei Scrum vertraut gemacht. „Zentrale Elemente von Scrum sind klar definierte Rollen für alle Team-Mitglieder und die Organisation der Arbeit in so genannten „Sprints“, die immer wieder zu einem nutzbaren Ergebnis führen“ ergänzt Gerland. Als Orientierung dient das „Product Backlog“, das sämtliche Anforderungen an das Produkt und die Ziele des Projekts definiert. Die Entwickler ziehen sich aus diesen umfassenden Anforderungen in Abstimmung mit dem so genannten „Product Owner“ für jeden Sprint die Aufgaben heraus, die sie erfahrungsgemäß in der vorgegebenen Zeit bewältigen können. Unterstützt wird das Team vom „Scrum Master“, der die Aufgabe hat, dem Team bei der richtigen Anwendung der Scrum Praktiken zu helfen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und dem Team die Ressourcen und Mittel zu verschaffen, die es benötigt.
Schritt zwei: Reduzierung der Komplexität
Sehr schnell identifizierte das Veränderungsteam die bereits überbordende Komplexität des geplanten Projektes als ein entscheidendes Hindernis. „Deshalb ist im Gesamtprojekt eine Aufteilung erfolgt; fortan beinhaltete das Projekt eine Reihe an Modulen und funktionalen Baugruppen“, so Gerland weiter. Module und Baugruppen wurde dann von Modulteams und einem Funktionsteam bearbeitet, sodass die Entwicklungsaufgabe pro Team erheblich überschaubarer und klarer definiert wurde. Die übergeordnete Steuerung übernahm ein Team mit der Verantwortlichkeit für die Gesamtmaschine.
Schritt drei: Fokussierung und Priorisierung
Um allen beteiligten Entwicklern die Möglichkeit zu geben, sich auf die anstehenden Aufgaben zu fokussieren, musste das Projekt im Gesamtunternehmen klar priorisiert werden. In der Konsequenz heißt das, dass alle Team-Mitglieder mindestens 80 Prozent ihrer Ressourcen, also mindestens vier Tage pro Woche ausschließlich auf das Projekt verwenden. Um diese Fokussierung in der Praxis durchzusetzen, wurde eine räumliche Trennung vollzogen: Die Entwicklungsteams wurden in einem separaten Gebäude untergebracht.
Doch alleine damit war es nicht getan. Tatsächlich hatte die Priorisierung erhebliche Auswirkungen auch auf andere Unternehmensteile. Schon die 80 Prozent Regel führte dazu, dass andere Mitarbeiter „alte“ Aufgaben der Teammitglieder übernehmen mussten. Diese Regelung sorgte bei Abteilungsverantwortlichen und Kollegen für nicht geringen Unmut. Gemeinsam mit dem Beratungspartner erarbeitete das Veränderungsteam ein Kommunikationskonzept, um auf allen Unternehmensebenen intensive Überzeugungsarbeit zu leisten und alle Stakeholder mit ins Boot zu holen.
Schritt vier: Das eigene Rollenverständnis neu definieren
Ein gewisses Maß an Überzeugungsarbeit war auch gegenüber der Geschäftsleitung geboten. Auch wenn sich deren Mitglieder bewusst für das agile Projekt entschieden hatten, fiel es in der Umsetzung nicht immer leicht, im Rahmen agiler Kultur die üblichen Kontrollimpulse und -routinen beiseite zu lassen, dem Team Vertrauen und Wertschätzung entgegen zu bringen und klares und konstruktives Feedback zu geben. Gerland: „Hilfreich war in diesem Zusammenhang die Vereinbarung, dass auch die Führungsetage ausschließlich in den regelmäßigen so genannten „Sprint Reviews“ über den aktuellen Projektstatus informiert wurde und nur hier die Gelegenheit bekam, Rückmeldungen an das Team zu geben. Als ebenso entscheidend wie das Feedback an das Team erwies sich dabei das Feedback aus dem Team an die Führungsverantwortlichen.“ Schließlich übernimmt die Führungsebene in einer agilen Kultur vor allem die Rolle, Mitarbeiter zu befähigen, dass sie ihre Aufgaben lösen können. „Damit war das Aufgabensetting der Führungsriege des Unternehmens klar umrissen“, erläutert Gerland. „Diese lautet: Die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter stärken, ihnen Hindernisse aus dem Weg räumen und für sie möglichst optimale Rahmenbedingungen schaffen.“
Agiler Erfolg ist gemeinsamer Erfolg
Im Ergebnis läuft das Projekt nun reibungsarm im realistischen Zeit- und Kostenrahmen. Überraschend ist dabei, dass der unrealistische, ursprüngliche Termin für die Präsentation des neu entwickelten Produkts nur um ein knappes halbes Jahr verschoben werden musste. Erfolgsgarant dafür ist die komplette Neustrukturierung des Projekts und der Kulturwandel im Führungskreis. Noch erfreulicher ist, dass sich aufgrund der gelungenen agilen Zusammenarbeit inzwischen alle Beteiligten, also Teammitglieder und Stakeholder, zu hundert Prozent mit dem Projekt und der neuen Produktentstehungsweise identifizieren können. Das Unternehmen plant, auch in Zukunft weitere Aufgaben agil zu bearbeiten. Insgesamt wird eine hybride Struktur angestrebt, in der „einfache“ Aufgaben konventionell und komplexe Herausforderungen agil bearbeitet werden.
Die 2012 gegründete CO Improve GmbH & Co. KG hat sich von Beginn an das Ziel gesetzt, Fach-, Branchen- und Beratungskompetenz so mit professionellem Veränderungsmanagement zu verbinden, dass Verbesserungslösungen bestmöglich implementiert werden können. Die Produktentstehung wird auf diese Weise dauerhaft und unumkehrbar leistungsstärker aufgestellt.
Als exklusive „Beratungsboutique“ und Spezialist für alle managementrelevanten Themen rund um die Produktentstehung positioniert sich das Unternehmen mit einem ganzheitlichen Lösungsangebot zwischen den großen Beratungshäusern und den Spezialisten für Einzelthemen der Produktentstehung.
CO Improve arbeitet vor allem für größere mittelständische Unternehmen und Konzerneinheiten und richtet sich konsequent an den Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Beratung aus.
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