Am 2. April ist Welt-Autismus-Tag – Fokus auf Menschen im Spektrum und ihre Inklusion
Autismus: Eine besondere Art der Wahrnehmung
Am 2. April ist Welt-Autismus-Tag – Fokus auf Menschen im Spektrum und ihre Inklusion
Heppenheim, 31. März 2020 – Experten schätzen, dass rund ein Prozent aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland mit einer Autismus-Spektrum-Störung leben. Das sind rund 800.000 Menschen. Was genau aber ist Autismus? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einer „angeborenen tiefgreifenden Entwicklungsstörung“, Autisten und Angehörige charakterisieren Autismus eher als eine besondere Art der Wahrnehmung. Der Welt-Autismus-Tag am 2. April will das Verständnis für Menschen mit Autismus fördern und Barrieren in der Gesellschaft abbauen.
„Ohne Asperger wäre das hier nicht möglich“, sagte Greta Thunberg Anfang 2019 in einem Interview. Die Schwedin präsentiert sich auf Facebook als „Klima-Aktivistin mit Asperger“. Und nein, ihr Autismus sei kein Geschenk, aber ohne ihre Diagnose hätte sie wohl niemals mit ihren Protestaktionen begonnen und wäre auch nicht so fokussiert. „Ich sehe die Welt in anderer Weise“, meint die 17-jährige Schülerin – schwarz und weiß, ohne Zwischentöne.
Autistische Menschen nehmen die Welt anders wahr als Nicht-Autisten. Mit all ihren Sinnen sind sie stets auf Empfang – haben aber keinen „Schutzfilter“, der unwichtige Informationen und Reize ausblendet. Sie können sich oft nur mit Mühe in Nicht-Autisten einfühlen, die Bedeutung von Mimik und Gesten sind ihnen kaum verständlich. Schon von klein auf sind Menschen mit Autismus stark auf bestimmte Routinen fixiert und haben Schwierigkeiten, sich auf Neues einzustellen. „Diese Besonderheiten in der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung bleiben ein Leben lang bestehen“, sagt Dr. Christine Preißmann, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutin, Autorin und selbst Asperger-Autistin. „Mit einer frühzeitigen Förderung und entsprechender Unterstützung kann aber viel erreicht werden, sodass im Laufe des Lebens häufig deutliche Verbesserungen möglich sind.“
Ein Spektrum mit vielen Facetten
Der Begriff Autismus leitet sich vom griechischen Wort „autos“ (= selbst) ab und verweist auf die Selbstbezogenheit, auf das Abkapseln gegenüber der Umwelt. In den vergangenen Jahren haben die Diagnosen deutlich zugenommen. Das liegt aber nicht unbedingt an einer Zunahme des Autismus, vermuten Experten, sondern vielmehr an einer höheren Aufmerksamkeit von Ärzten und Eltern.
Autismus ist angeboren. Die Auffälligkeiten äußern sich bei jedem Kind etwas anders – und können sich im Laufe der Entwicklung auch verändern. „Autismus hat so viele Facetten wie es autistische Menschen gibt“, erklärt Dr. Preißmann. Fachleute sprechen deshalb heute von einer „Autismus-Spektrum-Störung“. Das Spektrum reicht von schweren Beeinträchtigungen mit geistiger Behinderung und vermindertem Sprachvermögen bis zu unauffälligen Formen. Während Asperger-Autisten sowie hochfunktionale und atypische Autisten mit mindestens normaler Intelligenz mit entsprechender Förderung oft weitgehend selbstständig leben können, sind frühkindliche Autisten mitunter ein Leben lang auf Hilfe angewiesen. Allen autistischen Menschen gemeinsam ist:
eine andere Art der Wahrnehmung und Auffälligkeiten im sozialen Umgang mit anderen Menschen,
Besonderheiten in der Sprachentwicklung und der Kommunikation sowie
sich wiederholende, stereotype Verhaltensmuster und überschaubare Interessen und Aktivitäten.
Besonderheiten und besondere Fähigkeiten
Zu den typischen Merkmalen von Autismus zählen sowohl Besonderheiten in bestimmten Bereichen als auch besondere Fähigkeiten. Menschen mit Autismus fällt es zum Beispiel häufig schwer, soziale und emotionale Signale richtig zu deuten und entsprechend darauf zu reagieren. Den Gesichtsausdruck anderer Menschen und ihre Körpersprache können sie kaum „lesen“; alles Gesagte wird meist wörtlich verstanden. Das führt im Alltag zu Problemen in der Kommunikation mit anderen Menschen. Bedeutet ein Lächeln Freude, Spott oder gar Häme? Wachsen tatsächlich „Haare auf den Zähnen“? Und was passiert, wenn abends die „Bürgersteige hochgeklappt werden“? „Sprichworte und Redewendungen sind für autistische Menschen schwer zu verstehen“, sagt Frau Dr. Preißmann. Viele Betroffene trainieren daher das ABC der Kommunikation ganz bewusst, damit sie es zum richtigen Zeitpunkt anwenden können.
Autisten vermeiden häufig Blick- oder Körperkontakt und wirken wie taub. Andere reagieren empfindlich auf Gerüche, Geräusche, Licht oder Berührungen. Menschen mit Autismus leiden in solchen Situationen unter regelrechten Reizüberflutungen. Das ist sehr anstrengend. Sie bekommen Angst, ziehen sich zurück oder können ihre Gefühle nur schwer kontrollieren.
Feste Rituale und Abläufe geben ihnen Sicherheit. Bei einem Kind kann sich das zum Beispiel darin äußern, dass es immer nur von einem gelben Teller essen möchte oder dass es sein Spielzeug stets auf eine bestimmte Art sortiert. Diese Besonderheiten werden häufig von ausgeprägten Sonderinteressen begleitet. So kann sich ein Autist möglicherweise nicht die Schuhe alleine binden, kennt aber ganze Telefonbücher auswendig oder weiß alles über Wasserleitungssysteme.
Ursachen und Diagnose
Symptome und Auffälligkeiten sind mittlerweile zwar gut beschrieben, aber noch immer sind die Ursachen einer Autismus-Spektrum-Störung nicht vollständig entschlüsselt. Man geht mittlerweile davon aus, dass Umweltfaktoren im Zusammenspiel mit der genetischen Veranlagung eine deutlich größere Rolle spielen als lange angenommen.
Ähnlich schwierig ist die Diagnose. Es gibt keinen Gentest, der ein zweifelsfreies Resultat erlaubt. Ärzte und Psychiater ermitteln die Diagnose in einem differenzierten Prozess mit standardisierten Interviews und Tests zu Wahrnehmung, Sprach- und Sozialverhalten. Jungen sind zwei bis drei Mal häufiger betroffen als Mädchen. „Allerdings sind Mädchen oft ruhiger und weniger auffällig in ihrem Verhalten, sodass sie oft erst spät ihre Diagnose und damit auch die entsprechende Unterstützung erhalten“, sagt Dr. Christine Preißmann.
Nicht selten treten bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störung weitere Begleiterkrankungen auf, zum Beispiel Depressionen, Angst- oder Essstörungen sowie eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS).
Therapie: Je früher, desto besser
Eltern merken meist sehr früh, wenn mit ihrem Kind irgendetwas anders ist. Sie sollten dann umgehend reagieren, denn Studien weisen auf den hohen Nutzen eines frühen Therapiebeginns hin. Erste Ansprechpartner sind die behandelnden Kinderärzte, die je nach Bedarf die Kinder dann für eine gesicherte Diagnose an spezialisierte Zentren oder geeignete Kinder- und Jugendpsychiater überweisen.
Autismus wächst sich nicht aus und kann auch nicht „wegtherapiert“ werden. Aber viele unterstützende Maßnahmen – zum Beispiel ein individuell angepasstes Verhaltenstraining oder Ergotherapie – tragen dazu bei, mit den Besonderheiten besser umgehen zu können, zufriedener und selbstständiger zu werden.
Schlafstörungen belasten Kind und Familie
Eines der Probleme, mit denen autistische Kinder und auch ihre Familien sehr häufig zu kämpfen haben, sind Schlafstörungen. Autisten schlafen oft schlecht ein, werden nachts häufiger wach und schlafen insgesamt weniger. Diese Schlafprobleme haben Folgen, denn eine schlechte Schlafqualität wirkt sich negativ auf die Wahrnehmung, das Denken und Erkennen aus. Zudem kann zu wenig Schlaf Depressionen auslösen, Ängste verstärken und die allgemeine Anspannung erhöhen. Auch für Eltern sind die nächtlichen Wachstunden häufig sehr belastend. Umgekehrt gilt: Wer ausgeschlafen ist, kann sich besser konzentrieren, ist ausgeglichener und aufnahmebereiter (mehr Infos unter: www.Schlafprobleme-bei-Autismus.de).
Als eine mögliche Ursache für diese Schlafstörungen haben Wissenschaftler einen Mangel an Melatonin identifiziert. Das körpereigene Hormon regelt den Schlaf-Wach-Rhythmus und ist unverzichtbar, um gut ein- und durchzuschlafen. Autistische Menschen haben häufig geringere Melatonin-Spiegel als nicht-autistische Menschen. Wenn eine gute Schlafroutine nicht ausreicht, kann der behandelnde Arzt möglicherweise Melatonin verordnen.
Hilfen im Alltag
Das Leben mit autistischen Kindern und Jugendlichen kann für Eltern sehr herausfordernd sein. Je nach Schweregrad der Auffälligkeiten sind sie häufig sehr belastet, sollten aber schon im Interesse ihres Kindes darauf achten, mit ihren Ressourcen möglichst schonend umzugehen und Hilfen annehmen – zum Beispiel von den Großeltern oder vom familienunterstützenden Dienst. Auch Selbsthilfegruppen bieten Entlastung, durch Austausch und gemeinsame Unternehmungen. Adressen nennt der Bundesverband Autismus Deutschland (www.autismus.de).
„Die wichtigsten Zutaten im Umgang mit einem autistischen Kind sind Geduld und Optimismus“, betont Dr. Christine Preißmann. Dann seien viele Fortschritte möglich. Häufig werde nur einseitig auf die Schwierigkeiten geschaut. „Echte Inklusion gelingt aber nur dann, wenn die Menschen mit all ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Besonderheiten selbstverständlich miteinander umgehen.“
Über Autismus und Schlafstörungen informiert die neue Webseite “ Schlafprobleme-bei-Autismus.de„. Dort gibt es auch weitere Ratgeber zum Download sowie ein Schlaftagebuch.
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Die InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH ist auf die Weiterentwicklung von Arzneimitteln für Kinder spezialisiert. Seit 30 Jahren profiliert sich das familiengeführte deutsche Unternehmen als mutiger Vorreiter der Branche. Das Portfolio umfasst aktuell rund 130 Präparate mit zahlreichen Innovationen aus den Bereichen Pädiatrie, Infektiologie, Pneumologie, Dermatologie und Allergologie. Der Service consilium steht als produktneutrales Beratungs- und Wissensvermittlungsangebot Fachkreisen zur kostenlosen Verfügung. Rund 200 Mitarbeiter leben und arbeiten am Firmensitz Heppenheim südlich von Frankfurt.
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