Spielregeln, Redezeit und Reflexionsarbeit
Entstehen Beziehungsprobleme tatsächlich wegen mangelnder oder falscher Kommunikation? Welches sind die ersten wichtigen Schritte für Paare, die sich an den Tisch setzen, zuhören und reden wollen? Gibt es da einen empfehlenswerten Plan? Und was ist eigentlich mit den unterschiedlichen Kommunikationsverhalten von Frauen und von Männern – erst recht, wenn es um Balance gehen soll? Der Schweizer Kommunikationsexperte Stefan Häseli hat darauf Antworten und gibt eine Reihe an praxistauglichen Tipps.
Zu wenig oder zu wenig wertschätzende Kommunikation, wenig aufmerksam oder völlig falsches Timing – das sind die Klassiker, wenn es um Gründe für Beziehungsprobleme geht. Das gilt nicht nur in privaten Beziehungssituationen: Selbst im täglichen Geschäftsleben finden Beziehungen auf unterschiedlichsten Ebenen statt. Das sind Chef-Mitarbeiter-Beziehungen, Mitarbeiter-Kunden-Beziehungen, Kollegen-im-Team-Beziehungen, längere Kundenbeziehungen, kürzeste Kunden-Beziehungen, vielleicht an einem Schalter.
Das ganze Leben ist von Beziehungen gestaltet und über den Erfolg oder Misserfolg derer entscheidet sich bis zu Dreiviertel über die Kommunikation. Selbst Flugunfälle oder Beinah-Unfälle haben größtenteils mit Beziehungsproblemen zu tun. Privat sind es tägliche wie auch langfristige Dinge, über die man nicht mehr oder nicht mehr ausreichend redet. Zum Beispiel: Wann haben Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin das letzte Mal über Wunschträume gesprochen?
Der erste Schritt bei einem Annäherungs- oder Konfliktlösungsprozess ist die Einigkeit: Suchen Sie etwas aus, worüber Sie sich einig sind. Das ist in den allermeisten Fällen die Tatsache, dass man überhaupt über das eigene Problem reden und gemeinsam eine Lösung finden möchte. Im Idealfall stellten Sie für den Prozess noch Spielregeln auf, hinter denen beide stehen – dann ist alles gut aufgegleist. Im weiteren Verlauf gehört viel Reflexionsarbeit dazu. Reflektieren Sie gemeinsam über den Annäherungsprozess wie auch über das eigene Kommunikationsverhalten.
Kommunizieren Männer anders als Frauen?
Schweigende Männer und Frauen im Redeschwall: Immer wieder taucht dieser Mythos auf, für den es allerdings bislang keinen wissenschaftlichen Beweis gibt. Doch mitunter ist es so, dass Männer eher Mühe haben, über Emotionen zu sprechen. Da es bei Beziehungsproblemen oft um Gefühlslagen geht, schweigt der Mann dann lieber – weil er entweder unsicher ist, was er sagen soll oder er schlichtweg den Zugang zu den richtigen Worten nicht hat. Könnte er über das letzte Fußballspiel reden, käme niemand auf die Idee, dass Männer zu oft schweigen.
Ein Redeschwall kann durchaus eine Waffe der Frau sein, weil sie sich vielleicht körperlich oder sonst wie unterlegen fühlt. Die Balance lässt sich finden, indem sich beide auf Spielregeln in Diskussionen einigen. Dazu gehört zum Beispiel: sich nicht ins Wort fallen, zuhören, akzeptieren, was das Gegenüber sagt, anstatt direkt in den Widerspruch zu gehen. Saubere Ich-Botschaften und ein ungefährer Redezeitausgleich können ebenfalls gute Stützen sein.
Mein Tipp: Drei No-Goes in der Kommunikation
1.Vermeiden Sie Du-Angriffe und ganz allgemeine Vorwürfe. Aussagen wie „Du denkst ja so oder so nur an dich!“ schaffen entweder Konflikte oder heizen einen bestehenden an. Ein Angriff löst praktisch immer einen Gegenangriff oder Rückzug wie Schweigen oder Weglaufen aus.
2.Lassen Sie Ihren Zynismus links liegen. Aus Sätzen wie „Das hast du ja wieder einmal super hingekriegt!“ hört der andere es heraus, wenn Stimme und Inhalt nicht übereinstimmen. Ein gemeiner Gedanke macht die Stimme fies. Wenn das Wort dann ein ausgesprochenes Lob ist, spürt man diesen Widerspruch in Form von gefühltem Zynismus. Das macht es dem Gegenüber nicht einfach, darauf zu regieren. Wer zynisch ist, wirkt unberechenbar, gerade in Konfliktsituationen.
3.Ignorieren ist keine gute Strategie. Der Kommunikationstheoretiker Paul Watzlawick hat schon festgestellt: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das stimmt auf jeden Fall. Wer nichts spricht, kommuniziert trotzdem. Sobald jemand die Aussagen des Gegenübers ignoriert, hat er zwar nicht gesprochen, aber dennoch in aller Deutlichkeit gezeigt, dass einen der andere oder das Thema weder interessiert noch wert ist, darauf zu reagieren. Das ist durchaus eine sehr konfliktträchtige Kommunikationsform.
Fazit in Sachen Paar-Kommunikation
Ob privat oder im Geschäftsleben: Manchmal brauchen Paare einen Impuls von außen. Holen Sie sich Inspirationen oder holen Sie sich Hilfe in Form einer Begleitung. Das kann ein Freund sein, ein Berater oder auch ganz gezielt ein auf Paarbeziehungen spezialisierter Coach oder Supervisor. So ein Anschub kann hilfreich sein, um den Beziehungsprozess zu gestalten und gemeinsam wieder die Kurve zu kriegen. Freuen Sie sich auch über kleine Erfolge und auf die Zeit, wenn Sie kommunikativ wieder gemeinsam unterwegs sind.
Stefan Häseli ist Kommunikationstrainer, Keynote-Speaker, Moderator und Autor mehrerer Bücher. Er betreibt ein Trainingsunternehmen in der Schweiz. Der Kommunikationsexperte begleitet seit Jahren zahlreiche Unternehmen bis in die höchsten Vorstände von multinationalen Konzernen.
Er doziert an Universitäten und Fachhochschulen im Themenfeld Kommunikation. Als Experte nimmt er im Radio und TV-Stationen immer dann Stellung, wenn Kommunikation irgendwo auf der Welt gerade eine entscheidende Rolle spielt. Er begeistert in seinen Fachartikel und Kolumnen mit feinsinnigem Humor.
In seinen Vorträgen und Seminaren vermittelt er Wissen kurzweilig und gespickt mit Beispielen aus der Praxis sowie amüsanten Anekdoten – stets mit einem liebevollen Augenzwinkern. Als ausgebildeter Schauspieler mit jahrelanger Bühnenerfahrung schreibt er ganze Abendprogramme selbst. Dazu kommen Engagements in Kino-Filmen, TV-Serien, TV-Werbespots und Schulungsfilmen.
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