Westpfälzische Stadt vergibt Literaturpreis im Gedenken an den Dada-Begründer Hugo Ball an den Schriftsteller und Kabarettisten Bov Bjerg / Förderpreis für die deutsch-ungarische Sprachwissenschaftlerin und Autorin Kinga Tóth
Am Sonntag, 23. Februar 2020, hat Markus Zwick, Oberbürgermeister von Pirmasens, den Hugo-Ball-Preis der Stadt an den Schriftsteller und Kabarettisten Bov Bjerg verliehen. Der Förderpreis ging gleichzeitig an die deutsch-ungarische Sprachwissenschaftlerin und Autorin Kinga Tóth. Die renommierte Auszeichnung, die bereits zum elften Mal seit 1990 vergeben wurde, ist mit insgesamt 15 000 Euro dotiert. Die Preisverleihung fand im Rahmen einer feierlichen Matinee im Elisabeth-Hoffmann-Saal des Kulturzentrums Forum ALTE POST statt.
„Bov Bjerg erhält den Hugo-Ball-Preis 2020 der Stadt Pirmasens für sein vielseitiges Werk als gesellschaftlich schreibender und handelnder Erzähler, als Autor der eingreifenden Performance in bester politischer Dada-Tradition“, so die Begründung der Jury. Rolf Böttcher, so sein bürgerlicher Name, wurde 1965 in Heiningen (Landkreis Göppingen) geboren. Er studierte Linguistik, Politik und Literaturwissenschaften in Berlin und Amsterdam und ist Absolvent des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Mit Freunden gründete er verschiedene Berliner Lesebühnen. „Auerhaus“, sein zweiter Roman nach „Deadline“, ist von verschiedenen deutschen Theaterhäusern adaptiert und inszeniert worden, im Dezember 2019 feierte der Bestseller als melancholisches Pubertätsdrama auf der Kinoleinwand Premiere. Noch düsterer als „Auerhaus“ ist Bov Bjergs soeben im Claassen-Verlag erschienener Roman „Serpentinen“. Darin fokussiert der in Berlin lebende Autor schwere existenzielle Probleme. Am 6. Mai 2020 wird er „Serpentinen“ in einer Lesung im Pirmasenser Carolinensaal vorstellen.
Den Förderpreis erhielt die Schriftstellerin und Übersetzerin Kinga Tóth. Die 37-jährige gebürtige Ungarin publiziert Essays, Kurzgeschichten und selbst illustrierte Gedichte in deutscher, englischer und ungarischer Sprache. Außerdem tritt sie in Ausstellungen und als Performance-Künstlerin auf, die ihre Texte mit Sound- und Bildunterstützung auf internationalen Festivals vorträgt. In ihrem künstlerischen Schaffen arbeitet sie oft spartenübergreifend. „Ihre Auftritte und ihre experimentelle Poesie erinnern an die dadaistischen Lautgedichte und an die Performances im Züricher Cabaret Voltaire“, urteilte die Jury. Ihr bisheriges Werk beeindrucke durch seinen Reichtum an Ausdrucksformen, durch Phantasie, Kreativität und eine Vielfalt, die auch politische Themen, etwa zur Gewalt gegen Frauen, einschließe, hieß es in der Begründung weiter. Die Förderpreisträgerin Kinga Tóth wird am 19. Juni 2020 zu einer Lesung nach Pirmasens kommen.
Laudatoren zur Preisverleihung waren der Berliner Drehbuchautor, Filmregisseur und Hörspielmacher Professor Alfred Behrens sowie der in Wien lebende Kulturwissenschaftler und Philosoph Professor Dr. Thomas Macho. Für die musikalische Umrahmung im Forum ALTE POST sorgte das Hamburger „Kaiser Quartett“ mit den Streichern Adam Zolynski (Violine), Jansen Folkers (Violine), Ingmar Süberkrüb (Viola) und Martin Bentz (Violoncello).
Die Verleihung des Hugo-Ball-Preises und des dazugehörigen Förderpreises würdigt das Werk, die Haltung und die allgegenwärtige Wirkung Hugo Balls, betonte Markus Zwick in seiner Begrüßungsrede und führte weiter aus: „Schon die erste Kontaktaufnahme mit Bov Bjerg und Kinga Tóth war für mich besonders aufregend – das Erlebnis dieses Momentes der Überraschung, Ihrer so überaus freudigen Reaktion werde ich nicht vergessen. Es ist mir eine große Ehre, Bov Bjerg als Träger des diesjährigen Hauptpreises begrüßen zu dürfen. Ebenso schön ist es, gerade auch im Zusammenhang mit der aktuellen Wechselausstellung zu Emmy Hennings das künstlerische Schaffen der jungen Lyrikerin Kinga Tóth mit einem Preis fördern zu können.“ Darüber hinaus dankte der Oberbürgermeister auch der Jury und dem Beirat für ihre Expertise und ihr Engagement.
Hintergrund Hugo-Ball-Preis
Mit dem Hugo-Ball-Preis wird das Gesamtwerk des in Pirmasens geborenen Schriftstellers Hugo Ball gewürdigt, der unter anderem 1916 im Züricher Cabaret Voltaire mit Dada eine der wichtigsten Kunstrichtungen des 20. Jahrhunderts begründet hat. Zu den früheren Trägern der Auszeichnung, die seit 1990 verliehen wird, gehören Oskar Pastior, Cees Nooteboom, Robert Menasse, Klaus Wagenbach, Patrick Roth, Feridun Zaimoglu, Max Goldt, Andreas Maier, Thomas Hürlimann und zuletzt Ann Cotten.
Die Stadt Pirmasens ehrt ihren bedeutenden Sohn seit November 2016 mit einer interaktiven Dauerausstellung im Forum ALTE POST. Auf knapp 180 Quadratmetern bezieht die biografische Inszenierung die verwinkelte Architektur der drei ineinander übergehenden Räume gestalterisch ein, fügt große, polygonale Wandelemente hinzu und erweckt das Cabaret Voltaire als spielerische Rauminstallation zum Leben. Interessierte Besucher finden zahlreiche historische Fotografien, Grafiken, Zitate, Texte und Zeitungsartikel des Lautgedicht-Pioniers zu unterschiedlichsten Aspekten und Prinzipien seines Werks. Die Besucher sind eingeladen, sich über die eigene Interaktion innerhalb der effektvollen Inszenierung mit Hugo Ball sowie Dada in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beschäftigen.
Unter dem Titel „Emmy Hennings – Jahrhundertfrau der Avantgarde“ ist aktuell eine vielbeachtete Sonderschau über Emmy Hennings im Forum ALTE POST zu sehen. Die Ehefrau des in Pirmasens geborenen Dada-Begründers Hugo Ball gilt als die wohl bekannteste Unbekannte der deutschsprachigen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung beleuchtet Leben und Werk der vielschichtigen Schauspielerin, Sängerin, Schriftstellerin und Lyrikerin mit ausdrucksstarken großformatigen Fotografien und einer Auswahl an handschriftlichen Texten und Erstausgaben. Besonderes Highlight ist eine komplette Serie von Zeichnungen mit dem Titel „Variationen eines weiblichen Aktes“, die der spätexpressionistische Maler Reinhold Rudolf Junghanns im Jahr 1913 von Emmy Hennings angefertigt hat. Die Sonderausstellung läuft noch bis einschließlich 26. April 2020 und ist in Kooperation mit der Hugo-Ball-Gesellschaft entstanden.
Bildbeschreibung:
Verleihung des Hugo-Ball-Preises 2020 am 23. Februar 2020 in Pirmasens (v.l.n.r.): Der Pirmasenser Oberbürgermeister Markus Zwick, Hugo-Ball-Preisträger Bov Bjerg, Förderpreisträgerin Kinga Tóth sowie die beiden Laudatoren Professor Dr. Thomas Macho und Professor Alfred Behrens
Ergänzendes zur Stadt Pirmasens
Erste urkundliche Erwähnung fand Pirmasens um 850 als „pirminiseusna“, angelehnt an den Klostergründer Pirminius. Der als Stadtgründer geltende Landgraf Ludwig IX. errichtete im heutigen Pirmasens die Garnison für ein Grenadierregiment, es folgten 1763 die Stadtrechte. Am südwestlichen Rand des Pfälzerwalds gelegen und grenznah zu Frankreich ist das rund 42.000 Einwohner zählende, rheinland-pfälzische Pirmasens wie Rom auf sieben Hügeln erbaut. In ihrer Blütezeit galt die Stadt als Zentrum der deutschen Schuhindustrie und ist in dieser Branche heute noch wichtiger Dreh- und Angelpunkt; davon zeugen unter anderem der Sitz der Deutschen Schuhfachschule, des International Shoe Competence Centers (ISC) oder der Standort der ältesten Schuhfabrik Europas. Zu den tragenden Wirtschaftsbereichen zählen unter anderem chemische Industrie, Kunststofffertigung, Fördertechnik-Anlagen und Maschinenbau. Pirmasens positioniert sich heute als Einkaufsstadt mit touristischem Anspruch und gut ausgestattetem Messegelände. Seit 1965 wird eine Städtepartnerschaft mit dem französischen Poissy gepflegt. Weitere Informationen sind unter http://www.pirmasens.de erhältlich.
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