Die wachsende Zahl älterer Menschen in Deutschland wird oft als Problem für die Sozialsysteme gesehen. Dabei birgt der demografische Wandel auch Chancen für die Wirtschaft, weiß der Betriebswirt, Programmierer und Seniorenberater Gisbert Löcher.

100 gute Jahre

Zweifellos ist es so, dass die Jüngeren vom Erfahrungswissen der Älteren deutlich profitieren.

Gisbert Löcher ist mit 59 Jahren der Älteste in seinem Unternehmen, doch alt fühlt er sich deswegen nicht. Der studierte Betriebswirt arbeitet seit vielen Jahren als IT-Experte am luxemburgischen Sitz einer japanischen Investmentbank. Seine Arbeit macht ihm Spaß, aber er plant schon voraus. „Ich will selbst bestimmen, wann ich aufhöre zu arbeiten“, sagt er. In der Bank ist spätestens mit 65,5 Jahren Schluss – bis dahin will er sich ein zweites Standbein aufgebaut haben. Seit einem Jahr studiert er deshalb parallel zum Beruf den online-basierten Masterstudiengang „Integrierte Gerontologie“ an der Universität Stuttgart. „Natürlich geht es dabei um mein eigenes Altern“, räumt Löcher ein. „Aber auch beruflich lässt sich viel daraus machen.“
Im Jahr 2034 wird Deutschland – nach heutiger Statistik – die älteste Bevölkerung der Welt haben. Das kann bedrohlich wirken, weiß Prof. Frank C. Englmann, Direktor des Instituts für Volkswirtschaftslehre und Recht der Universität Stuttgart. Die Sozialsysteme geraten aus dem Gleichgewicht, weil weniger junge Leute die Rente für viele Ältere erwirtschaften müssen. „Da weniger junge Leute nachkommen, müssen die Älteren länger arbeiten“, so Englmann. Doch der Wirtschaftswissenschaftler sieht das durchaus positiv. „Zu Bismarcks Zeiten war die Lebenserwartung von Arbeitern geringer als 65 Jahre.“ Heute haben die Meisten auch bei längerer Lebensarbeitszeit nach dem Ruhestand noch viele gute Jahre.

Viele Menschen wollen selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten. Schließlich macht Arbeit häufig Spaß und trägt zu einem erfüllten Leben bei. Gisbert Löcher hat sich in seinem Studium damit beschäftigt, was gelingendes Altern bedeutet. Gesundheit, soziale Kontakte und sinnvolle Beschäftigung sind dafür wichtig. „Man hat nicht alles in der Hand, kann aber einiges selbst dazu beitragen, erfolgreich zu altern.“ Löcher betrachtet das Altern als eine Aufgabe und will andere darin unterstützen, sie zu meistern. Um Praxiserfahrung zu sammeln, engagiert er sich in der Hospizbewegung und begleitet seit einiger Zeit zwei hochbetagte Damen. „Ich will gerne helfen“, sagt er. „Und wenn die alten Leute dann lieb „Danke“ sagen, tut mir das auch gut.
Neben der volkswirtschaftlichen Sicht und der persönlichen Perspektive ist es auch für einzelne Unternehmen wichtig, den demografischen Wandel im Blick zu haben. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen kann die Verknappung des Arbeitsmarktes gravierende Folgen haben. Anders als bei großen, global tätigen Aktiengesellschaften bedroht es mittelständische Unternehmen in ihrer Existenz, wenn Nachwuchskräfte fehlen, um den Generationenwechsel zu vollziehen. Und wenn der Mittelstand als stärkstes Wirtschaftssegment in Deutschland leidet, ist das problematisch für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaftsleistung insgesamt. „Der Kuchen, der auf alle Generationen zu verteilen ist“, wird kleiner“, resümiert Englmann.

Gisbert Löcher hat Ideen, wie dieser Entwicklung beizukommen ist. „Ab 2015 kommen immer weniger Leute nach“, sagt er. “ Aber viele Personalchefs machen sich keine Gedanken, weil sie selbst nur noch ein paar Jahre im Betrieb sind.“ Es geht darum, bei den Firmen ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen – und früh Vorsorge zu treffen. „Sie sollten darauf achten, dass sie möglichst früh eine gemischte Belegschaft mit allen Altersgruppen haben. Sonst laufen sie in eine Falle hinein“, sagt Löcher. Sein Plan ist es, Firmen freiberuflich zum Thema „alternde Belegschaften“ zu beraten. Denn viele wissen nicht um die Vorteile, die eine altersmäßig gemischte Belegschaft mit sich bringt. „Die Produktivität ist höher, als wenn man nur junge oder nur ältere Leute hat“, so Löcher.

Auch Englmann sieht Vorteile in einer gemischten Belegschaft. Von einem erfolgreichen „Diversity Management“, das auch die Integration verschiedener Kulturen und von Frauen und Männern meint, hat das ganze Unternehmen etwas. „Zweifellos ist es so, dass die Jüngeren vom Erfahrungswissen der Älteren deutlich profitieren. Da geht es nicht nur um den Produktionsprozess, sondern auch die Arbeit im Team, die Lösung von Konflikten.“ Die gute Nachricht: Der Jugendwahn ist bereits auf dem absteigenden Ast. „Im letzten Jahrzehnt gab es ja noch sehr viele Unternehmensvorstände, auch von DAX-Unternehmen, die zwischen 40 und 50 Jahren alt waren.“ Doch aufgrund des Fachkräftemangels habe das Umdenken begonnen, sagt Englmann.

Gisbert Löcher fühlt sich voller Tatendrang – und sieht sich darin durch Statistiken bestätigt. „Studien zeigen, dass die Produktivität von Menschen bis zum 53. Lebensjahr zunimmt und dann lange konstant bleiben kann“, sagt er. Für ihn ist es wichtig, ständig Neues zu lernen. Im Studiengang „Integrierte Gerontologie“ bekommt er reichlich geistiges Futter. „Ich wusste sofort, dass ich das machen will“, erzählt er. „Da werden Generalisten ausgebildet, die an Schnittstellen arbeiten und Leitungsfunktionen ausfüllen können. Besonders gefällt mir die Vielseitigkeit.“
Dass man auch in der zweiten Lebenshälfte noch neue Talente entdecken kann, hat Löcher erst neulich wieder gemerkt. Für einen Essay-Wettbewerb der Bundesregierung zum demografischen Wandel schrieb er den Aufsatz „Ich werde 100 gute Jahre leben“. Dabei hat er festgestellt, wie viel Spaß ihm das Schreiben macht. Und auch seinem nächsten beruflichen Leben als Berater blickt er zuversichtlich entgegen: „Einem freiberuflichen Berater nehmen die Kunden sein Alter nicht übel. Im Gegenteil: ältere Menschen fühlen sich wahrscheinlich bei einem Berater, der selbst schon ergraut ist, besser aufgehoben.“

(Jörg Schuster)

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